CD-Kritiken zu "Signify":
Eclipsed Nr. 19:
Nachdem
sich Fe/2 bei seiner Porcupine Tree-Kritik mächtig weit aus dem
Fenster gelehnt hatte, war ich natürlich um so gespannter, als
ich SIGNIFY, das neueste Werk der Band, nach einigem Suchen in den Händen
hielt.
Um es kurz zu machen: SIGNIFY ist ein Meisterwerk - ohne wenn und aber.
Am besten setzt man sich den Kopfhörer auf und begibt sich auf
eine 60minütige Reise durch den Porcupine Tree-Kosmos.
Vielen alten Bekannten begegnet man: frühe King Crimson, West Coast
Zitate a la H.P. Lovecraft, ein wenig frühe Roxy Music und Sphärenklänge,
wie man sie von Tangerine Dream und Brian Enos Ambient Zeiten her kennt.
Über allem schweben Pink Floyd zu Beginn der 70er Jahre. Trotz
alledem ist SIGNIFY von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Porcupine
Tree-Album. Alles klar?
Also - auf geht's: Ab in den nächsten (gut sortierten) Plattenladen,
SIGNIFY kaufen und dann 'Gute Reise'. Wer mir nicht so recht glauben
will, kann ja mit der Maxi-CD WAITING (ein Non-CD-Track) einen preisgünstigem
Kurztrip buchen.
Progressive Newsletter Nr. 11 (11/1996):
Der
"Stachelschwein Baum" (wortwörtliche Übersetzungen
klingen eben manchmal einfach genial) blickt auf eine erfolgreiche Vergangenheit
zurück. Unterstützt durch ausgedehnte Touren im Heimatland
u.a. mit Hawkwind und Ozric Tentacles, als auch im Vorprogramm von Marillion,
sowie Auftritten in Griechenland, Holland, Belgien, Italien und U.S.A.,
wurden von ihrem letzten Album "The sky moves sideways" über
20.000 Exemplare verkauft. Die Kritiker zogen schon Vergleiche zu Pink
Floyd, King Crimson, Talk Talk, The Blue Nile, wie auch Björk.
Nun, bei so viel Vorschußlorbeeren muss ja das neue Werk "Signify",
so auch die Single "Waiting", die sogar in die UK Charts vorstieß,
etwas Besonderes sein. Und um es vorweg zu nehmen, es lohnt sich mal
genauer hinzuhören. Nicht unbedingt für den gnadenlosen und
kompromisslosen Prog Hörer, denn man muss doch auch Gefallen an
anderen Stilen finden. Nach einem nichtssagenden Intro "Bornlivedie"
kreist danach beim Titelsong gleich mal kräftig der Space Rock
Hammer. Erst beim dritten Song "Sleep of no dreaming" kommt
auch mal Gesang vor. Dieses getragene Stück Musik besitzt eigentlich
viele gute Zutaten für ein fast perfektes Lied: recht langsames
Tempo, einen bombastischen Chorus und ruhige Zwischenpassagen. Dies
sind dann auch die wesentliche Bestandteile für den Rest des Albums.
Atmosphärische Klänge im langsamen bis Mid-Tempo Rhythmus
schweben an einem vorbei. Daneben finden aber ebenso schöne Melodien
mit Wiedererkennungswert und bombastische Instrumentalteile, allen voran
bei den Gitarrensoli, ihren Platz. Trotzdem insgesamt ein Album zum
Zurücklehnen und Genießen, welches bei mir schon beim ersten
Hören zu den Gewinneralben gehörte, da Porcupine Tree ihr
musikalisches Konzept gekonnt gespielt und perfekt produziert herüberbringen.
Die teils relativ langen und getragenen Instrumentalpassagen sind bestimmt
nicht jedermanns Geschmack und wirken auf Dauer lähmend, da sie
doch erheblich Zeit und Ausdauer beim Hörer abverlangen. Daher
eventuell der Vergleich zu Pink Floyd. Die anderen oben angesprochenen
Bands konnte ich jedoch bei "Signify" nicht wiederfinden,
die Engländer sind vielmehr in der Indie Szene anzusiedeln, aber
auch die Ähnlichkeiten zu Ozric Tentacles und Hawkwind sind unverkennbar.
Eine interessante Mischung aus melodischen, radiotauglichen Lieder und
der hypnotischen Synthese aus Space Rock und Dance Sounds. Das Album
ist übrigens auch als Doppel LP mit Zusatztrack erhältlich.
Empire Nr. 34 (6/1996):
Kurz
vor Redaktionsschluß noch ein Last-Minute-Review, und das für
eine CD, für die man sich eigentlich genügend Zeit lassen
sollte. Porcupine Tree, also der Stachelschweinbaum(?!), verwöhnen
ihre Zuhörer nämlich nicht mit Fast-Food-Prog, wie ich - zugegebenermaßen
etwas abfällig - einmal dem melodiösen Melodic-Neoprog bezeichnen
möchte. Auf der anderen Seite ist diese CD aber auch keine Rendezvous-Terminator,
wozu ich die komplexeren Scheiben des Prog-Genres zählen würde.
'Signify' ist ein Album, welches man nach dem ersten Hören vielleicht
etwas enttäuscht zur Seite legen wird, um es dann - falls die beste
Ehefrau von allen oder ein anderer weiblicher Mitbewohner sie nicht
in den gelben Sack haut - einer zweiten Prüfung zu unterziehen
- und es ganz überraschenderweise dann zu mögen. Warum ich
aggressives Verhalten der holden Weiblichkeit erwarte? Nicht wegen der
Musik; diese werden die Partnerinnen von Proggies wohl mit der üblichen
Gelassenheit ertragen können; das Cover scheint mir da schon eher
ein Problem zu sein. Und wenn ich jetzt auch noch sage, daß ich
die CD-Gestaltung gelungen finde, werde ich bei den Empire-Leserinnen
(und denen, die das Heft nur zufällig durchblättern) wohl
endgültig erledigt sein. Allerdings stimme ich zu: das Motiv der
aufgehängten Frau ist ziemlich geschmacklos; der Rest des Bildes
sowie die gesamte graphische Gestaltung der CD sind jedoch allererste
Sahne. Inkonsistentes Geschwätz von Herrn Kost meint ihr? Besorgt
Euch das Teil, dann werdet Ihr mich verstehen. Was die Musik anbetrifft,
so verwöhnt uns die Band um Steven Wilson nicht mit leicht verdaulicher
Nebenbeimusik - was aber nicht heißt, daß abgefahrene Mucke
geboten wird. Einflüsse von King Crimson sind sicherlich auszumachen,
jedoch sind es hier eher angenehme Merkmale und nicht extreme Komplexität:
wer KC nicht mag, sollte trotzdem nicht weiterblättern. Porcupine
Tree schaffen es, Samples, konventionelle Rockmusik und auch einmal
ein Mellotron zu einer stimmigen Einheit zu verbinden. Das 62 Minuten-Album
beginnt mit Stimm- und Geräusch-Collagen, an die sich nach dem
Stichwort 'Signify' ein recht aggressives, druckvolles Instrumentalstück
mit KC- und Marillion-Einflüssen (sic!) anschließt. Wobei
wir beim Thema wären: Gesang gibt es auf dieser CD zwar auch, aber
nicht sehr dominant; mehrere Stücke sind instrumental. Obwohl ich
darauf eigentlich nicht stehe, hat dieses Album doch seinen Reiz, und
es gewinnt mit jedem Hördurchgang mehr an Intensität. Das
anschließende 'Sleep Without Dreaming' mit eindrucksvollem Gesang
ist denn auch gleich starker Stoff für alle (!) Progfans. Es geht
weiter mit kaum Hörbarem in 'Pagan', so daß man unwillkürlich
den Lautstärkeregler hochdreht. 'Waiting Phase One' ist ein sehr
relaxtes aber dennoch eindringliches Lied - geniales Gitarrensolo! Und
abwechslungsreich geht es weiter - nicht ganz so facettenreich wie z.B.
bei Relayer, aber dennoch fordert jeder neue Song die Aufmerksamkeit
des Hörers durch Stilvariationen aufs Neue. Weitere Höhepunkte
sind 'Sever' und 'Every Home Is Wired', dann wird das Album recht still
und beschaulich - ein Knaller am Schluß wäre vielleicht ganz
gut gewesen. Ach ja, ein Backprogramm von Porcupine Tree gibt's auch.
Ich halte Euch auf dem Laufenden.
Visions Nr. 50:
Ich habe keine Ahnung, wer in dieser Band spielt, woher sie kommen,
wie lange es sie schon gibt und welche Farben ihre Unterhosen haben,
aber ich weiß, daß sie etwas ziemlich Ernsthaftes auf die
Beine gestellt haben. Bei der mir vorliegenden CD liegt lediglich ein
Zettel mit den Songnamen, alles weitere ist unserer Phantasie überlassen.
Sicher ist, daß es sich um eine hyperprofessionelle Rockproduktion
handelt, deren Klänge teilweise an Pink Floyd erinnern, aber letztendlich
mehr in die David Sylvian-Richtung gehen. Alles ist sehr ruhig und sphärisch
gehalten, wird durch den gezielten Einsatz von Effekten zu einer ziemlich
spacigen Angelegenheit und verläuft zum Teil instrumental. Sakamoto-artige
Keyboardeinsätze erhärten die Vermutung, daß sich hierfür
einige der großen Namen der `weisen` Rockmusik verantwortlich
zeigen müssen. Wer sich an Klangkünstler wie die oben angeführten
herantraut und sich 62 Minuten Zeit nehmen kann, um in ein Album abzutauchen,
das von Radio- oder Partytauglichkeit soweit entfernt ist, wie Slayer
von Easy Listening, muß hier zuschlagen.