CD-Kritiken zu "Recordings":
Eclipsed Nr. 35 (03/2001):
Eines
gleich vorweg: "Recordings" ist nicht das nächste Porcupine
Tree-Album, sondern eine Zusammenstellung aus Raritäten, die in
der Zeit von 1999-2001 entstanden sind. Also in der Zeit, wo Porcupine
Tree beim Snapper Label unter Vertrag waren und sind. "Recordings"
enthält einige (Nicht alle !) B-Seiten und Bonuslieder, die auf
den CD- und Vinyl-Singles zu den letzten beiden regulären Alben
"Stupid Dream" und "Lightbulb Sun" erschienen sind.
Mehr noch: Es sind auch zwei neue Lieder darauf und von zwei bereits
veröffentlichten Liedern gibt es neue Versionen. Die Band schlägt
damit gleich sechs Fliegen mit einer Klappe:
Erstens: Alle, die Porcupine Tree nicht kennen, können auch "Recordings"
als Einstieg benutzen, stehen doch die hierauf vorhandenen Lieder denen
der letzten beiden Alben in nichts nach und bilden kleine Perlen im
Bereich von Artrock, Independent, Avantgarde und dem sogenannten Postrock.
Zweitens: Wer "Stupid Dream" und "Lightbulb Sun"
mag, der findet auf "Recordings" die Fortführung dieses
Sounds, zumal auch die neuen Songs "Buying new soul" und "Access
denied" genau da hineinpassen.
Drittens: Wer Porcupine Tree sehr mag, aber sich nicht alle verschiedenen,
zu den letzten Alben ausgekoppelten Singles besorgen konnte (immherin
12 verschiedene !), bekommt nun die Gelegenheit, seine Sammlung zu vervollständigen,
denn Recordings enthält die allesamt traumhaft schönen Bonustracks
"Cure for optimism", "Untitled", "Disappear",
"Ambulance chasing" und "In formaldehyde".
Viertens: Auch wer bereits alles von Porcupine Tree zu haben meinte,
kommt auf seine Kosten: Von "Oceans have no memory" ist nun
eine schöne Band-Version des Tracks veröffentlicht, von dem
bisher nur ein von Steven Wilson solo eingespieltes Demo erhältlich
war. Außerdem gibt es nun als I-Tüpfelchen die lange, 14-minütige
Version von "Even Less", die aber lediglich durch Anhängen
des Bonustracks "Even Less part 2" an die Albumversion entstanden
ist.
Fünftens: Das Porcupine Tree-Lager mit bisher unveröffentlichtem
Material (was nach Steven Wilson's Aussage immer noch mehr als reichlich
gefüllt ist) konnte um zwei Lieder erleichtert werden: Das 10-minütige,
sehr melancholische "Buying new soul" (eine editierte Fassung
wurde erst kürzlich auf der Bonus-CD der limitierten "Lightbulb
Sun"-Version gestellt) mit Gitarrensolo, herrlichen Drums und vor
allem schönen Bässen am Ende des Stückes, sowie das kurze,
leicht verrückte "Access denied", was eine Mischung aus
"Linton Samuel Dawson" und "4 Chords..." zu sein
scheint.
Sechstens: Porcupine Tree-Verrückte werden dieses Album ohnehin
kaufen.
Und mit diesen sechs Punkten sollte doch die gesamte Leserschaft abgedeckt
sein. Guter Schachzug !
Empire Nr. 60 (4/2001):
Die
Sonne eine Glühbirne? Nach dem famosen letzten Album 'Lightbulb
Sun' nun erst einmal ein Porcupine Tree-Raritätenalbum. Steve Wilson
hat diverse Single B-Seiten, Bonustracks, zwei bisher unveröffentlichte
Stücke sowie zwei neu bearbeitete Songs aus den 'Stupid Dream'
und 'Lightbulb Sun'-Sessions zusammengestellt, schlicht mit 'Recordings'
betitelt und als CD veröffentlicht. Es ist ein durchweg hervorragendes
Album daraus geworden. Auf alle Fälle überzeugen die beiden
neuen Stücke 'Buying New Soul' und 'Access Denied' auf Anhieb,
die Briten liegen damit wieder etwas mehr auf der Schiene zur Einfachheit.
Wunderbar melodisch sind diese Songs, atmosphärisch dicht und subtil.
Wilson's Gitarre war ja immer schon mehr auf Abwechslung als auf Virtuosität
ausgerichtet. 'Cure For Optimism' bleibt stets unaufdringlich und abwechslungsreich,
'Untitled' ist atmosphärisch und von ergreifender Schönheit,
'Disappear' besticht durch ein ausgefeiltes Arrangement. Porcupine Tree
sind auf dem Weg zur absoluten Spitzenband. Die Briten haben erneut,
selbst mit einer mehr oder weniger Compilation-Geschichte, ein grandioses
Hörerlebnis geschaffen. 'Recordings' ist ein eher melancholisches
Werk, wirkt indes nie zusammengestückelt, sondern stets wie aus
einem Guss. Diese Band ist wirklich einzigartig. Vor allem wird bei
Porcupine Tree jenseits von klischeehaften Formeln und Schablonen musiziert.
Allerhöchste Punktzahl.
Rock Hard Nr. 170 (07/2001):
Sechs
B-Seiten von England-Singles aus den letzten drei, vier Jahren - gähn...
Ein Song ('Buying New Soul'), den es hierzulande bislang nur auf der
Tour-Edition von "Lightbulb Sun" zu hören gab - wie spannend...
Und obendrauf - jüdeldüh! - noch zwei komplett unveröffentlichte
Nummern. Das riecht mächtig nach 'nem Compilation-Schnellschuss
mit deutlichen Kontoaufstockungsambitionen, oder?
Bei anderen Bands vielleicht, bei PORCUPINE TREE ist aber selbst der
"Ausschuss" noch so hochklassig, dass der Großteil der
Konkurrenz sich für solche Kompositionen 'ne Niere rausoperieren
lassen würde. Das oben erwähnte 'Buying New Soul' kann es
mit jedem anderen PT-Meisterwerk locker aufnehmen, die Full-length-Version
von 'Even Less' sorgt für 'ne 14-minütige Gänsehaut,
und auch der Rest des Programms - sphärischer als die letzten beiden
CDs, aber deutlich kompakter als die alten Hippie-Traumreisen - kommt
wieder mal einer klanglichen Offenbarung gleich. Die Keyboards agieren
so unauffällig und gleichzeitig hocheffizient wie eh und je, das
Drumming ist definitiv nicht von dieser Welt, und Mastermind Steve Wilson
beweist mit Stimme und Gitarre, dass Pink Floyd-Sounds im hektischen
Handy-Zeitalter verdammt wohltuend sein können.
Grandios!