Interview mit Steven Wilson - Zeitpunkt Kulturmagazin April 2001:
Interview im Kulturmagazin Zeitpunkt April 2001
PORCUPINE TREE INTERVIEW MIT STEVE WILSON
Gute zehn Jahre machen die Jungs um Songwriter, Sänger und Multiinstrumentalist
Steven Wilson bereits Musik unter dem Namen Porcupine Tree, jedoch bis zu ihrem
7. Album, 'Stupid Dream' 1999 nur für einen kleinen Fankreis -
zumeist nur in England. Das könnte daran liegen, daß die ersten sechs
Alben sich musikalisch noch in etwas anderen 'Sphären' bewegten,
dürfte aber vor allem darin begründet sein, daß sie auch ohne
einen europaweiten Vertrieb auskommen mußten. Denn wenn man Alben nur über
komplizierte Importwege beziehen kann, ist das den Verkaufszahlen nicht gerade
zuträglich - das mußten auch schon ganz andere Bands feststellen! Glücklicherweise
haben die 'Stachelschwein-Bäume' diese Probleme überwunden,
ihre CDs sollten mittlerweile in jedem Plattenladen zwischen Emden und Frankfurt/Oder
erhältlich sein - und sind da auch in den vergangenen Monaten als beliebtes
Kulturgut gehandelt worden. Grund genug für die Band, anläßlich
ihrer aktuellen CD 'Lightbulb Sun' sich auf ausgiebige Deutschland-Tour
zu begeben. Dazu darf natürlich auch ein Interview mit Steven Wilson - geführt
von ZeitPunkt-Redakteur Ralf Koch - nicht fehlen.
Jahrelang
konnte man mehr oder weniger nur in der Progressive Rock-Szene von Euch
lesen, aber die Ecke ist ja eigentlich viel zu eng für Euch....
Wir wurden sogar von der
Prog-Presse ignoriert bis zu unserem 3., 4. Album. Bis dahin galten
wir als 'Psychedelic'-Band. Aber als sich der Sound dann weiterentwickelte,
kam auch die Presse aus immer mehr Bereichen, und die alten Leute blieben
bei uns. Und mittlerweile interessieren sich auch Leute für uns,
die einfach nur gute Rockmusik hören, wie Radiohead oder was auch
immer. Deshalb kann ich Dir zustimmen, wenn Du sagst, daß die
Prog-Ecke zu eng für uns ist. Isoliert betrachtet eigentlich jede
dieser 'Szenen', ja. Aber man darf die Prog-Szene auch nicht unterschätzen,
denn viele Fans gibt es da nicht, aber die Leute sind so unglaublich
enthusiastisch und hilfreich für diese Musik. Deshalb erscheint
einem die Szene immer größer, als sie eigentlich ist, weil
die Hälfte der Leute irgendwelche Fanzines oder Bands oder Radioshows
gründen, und damit natürlich dieser Musik unglaublich helfen.
Aber die Welt ist sehr viel größer, und wir wollen mehr Leute
erreichen.
Du hast es schon
angesprochen, daß die ersten Alben ein wenig anders waren - kannst
Du das noch genauer ausführen?
Die ersten drei Alben waren eigentlich
Solo-Alben von mir, die zweiten drei dann Band-Alben. Die ersten zwei
Alben waren sehr psychedelisch, vom Instrumentalen her sehr experimenteller
Space-Rock, das war aber auch eher ein Studio-Projekt. Und es gab viele
Soundeffekte, die man nur im Studio machen konnte, die man live gar
nicht hätte umsetzen können - Backwards-Guitar, nachträgliche
Geschwindigkeits-Manipulation, umgekehrt aufgenommener Gesang usw.,
eben all dieser Psychedelic-Kram. Auf dem dritten Album wurde das dann
schon etwas strukturierter, immer noch spacig, mit recht langen Songs,
die in verschiedene Sektionen aufgeteilt waren - und das war dann der
Zeitpunkt, wo die Prog-Szene auf uns aufmerksam wurde. Dann wurde aus
dem ganzen eine Band, und der Sound wurde noch rockiger, es ging mehr
um Songs, und ich glaube, der Grund, warum wir für die Prog-Szene
interessant wurden, war weniger wegen einzelner Songs, sondern eher
die Art wie das Album insgesamt strukturiert war, wie die Songs zusammengingen,
usw., man bekam das Gefühl, daß man auf dem Album auf eine
Art Reise mit der Band ging. Stilistisch hat sich viel geändert,
und es wird sich auch weiterhin viel ändern, das gehört für
mich zum Leben eines kreativen Menschen dazu.
Also würdest
Du auch sagen, daß die letzten zwei Alben sich sehr unterscheiden?
Ja, absolut. Ich meine, für mich
sind es die beiden besten Alben, die Alben, die das stärkste Gewicht
auf den Songs und den Texten haben. Vorher konnte man uns sehr viel
mehr als instrumental orientierte Band sehen, das hat sich ein bißchen
geändert. Manche Fans fanden das nicht so toll aber wir haben viele,
viele neue Fans dadurch gewonnen. Gerade auch in Deutschland.
Wie wichtig ist Euch
Erfolg?
Natürlich ist Erfolg wichtig.
Und langsam haben wir ja auch immer mehr Erfolg. Ich meine, es geht
mir nicht darum, Millionär zu werden oder berühmt zu werden,
es geht einfach darum, daß man anerkannt haben möchte, wofür
man lebt. Wenn man sein Leben damit verbracht hat, interessante Musik
zu schreiben oder kreative Dinge zu erstellen, dann ist es nur natürlich,
daß man das mit möglichst vielen Leuten teilen möchte,
um einfach artistische Anerkennung zu finden. Ich glaube nicht, daß
es viele Künstler gibt, die nicht so fühlen. Wenn sie meinen,
daß sie etwas besonderes geschaffen haben, dann wollen sie auch,
daß das möglichst viele Leute sehen.
Ein Song heißt
'4 Chords That Made A Million' - suchst Du die noch immer?
Nein, ich habe sie nie gesucht, und
werde auch nicht danach suchen. Auch wenn das vielleicht finanziell
sehr erleichternd wäre... aber der Song ist über eine andere
Band. Für mich als Musiker und Produzent ist es so frustrierend
zu sehen, wie sehr manche Bands von Anfang an gehypt werden, obwohl
ihre Musik eigentlich gar nichts besonderes darstellt, ja vielleicht
sogar nichts anderes ist, als eine Kopie der Beatles...
...Oasis
SW: Ja, äh, ok. Ich meine, das sind doch nur Klischees, die die spielen!
Und die sind nur erfolgreich, weil ihre Musik zu irgendwelchen Trends gemacht
wird. Und ich denke, was wir machen, ist wesentlich gehaltvoller, sehr viel anspruchsvoller,
und gleichzeitig aber nicht weniger kommerziell. Und ich denke, daß genauso
viele Leute uns genauso gerne mögen könnten, wenn nicht sogar mehr,
wenn sie die Chance kriegen würden, uns zu hören. Und '4 Chords..'
ist über diese Frustration über diese Situation - für die Oasis
und alle anderen Bands natürlich gar nichts können, sondern viel mehr
die Medien, die Musikindustrie, die uns ignoriert, und diese Band in den Himmel
lobt, obwohl sie wirklich nichts, gar nichts neues macht.
Eine Frage, die ich
mir nicht verkneifen kann: Was bedeutet eigentlich der Bandname?
Das ist noch ein kleines Geheimnis
von mir. Nicht einmal alle Bandmitglieder kennen die Bedeutung dieses
Namens. Ich schon, klar, aber ich warte noch ein bißchen mit der
Auflösung. Mal sehen, vielleicht mache ich daraus mal eine Art
Preisausschreiben oder so...
Ralf Koch